Folkfestival Arbogast
28.-30. JUNI
2024

Das Folk Festival

– aus gutem Grund in Arbogast!

Neues in die Welt bringen und dem Status-Quo etwas entgegen setzen: das hat es in und rund um Arbogast schon immer gegeben. Etwa mit der Begründung des Jugend- und Bildungshauses vor bald 60 Jahren, das junge Menschen im Geiste des 2. Vatikanischen Konzils vorangetrieben haben. Sie forderten die Öffnung von Gesellschaft und Kirche und traten ein für einen Glauben, der dem Leben dienlich ist. Für einen Geist, der nicht in die Enge, dafür in die Weite führt. Dass dabei immer schon gesungen und erzählt wurde, nicht zuletzt mit der Gitarre am Lagerfeuer, versteht sich von selbst.

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Ein anderer, von Schlagzeilen begleiteter Schauplatz jungen Engagements gegen gesellschaftliche Engführungen liegt in Sichtweite von Arbogast: "Flint", das legendäre Musik- und Lyrikfestival, das Jugendlichen 1970 Alternativen zum Bierzelt bieten wollte und bereits im Folgejahr durch Behördenmacht beendet wurde. Oder die Bregenzer Folk Festivals, die vor 40 Jahren am Gebhardsberg stattfanden und damit einem neuen Lebensgefühl Ausdruck verliehen.

In diese Tradition eines offenem Geists und gesellschaftspolitischer Forderungen reiht sich das neue Folk Festival Arbogast ein. Natürlich, die Zeiten haben sich geändert. Junge Leute können sich längst nicht mehr vorstellen, was vor wenigen Jahrzehnten noch verboten und undenkbar war. Was wache Zeitgenossen aber ohne Zweifel bemerken, ist, dass unsere Zukunft immer lauter rückwärts gedacht wird.

Das beschäftigt die Jungen von damals. Und die Jungen von heute. Auffallend ist, dass heute politisch Aktive und kirchlich Engagierte Seite an Seite aufstehen, wenn das, was dem Leben dient, auf dem Spiel steht. Das alles schwingt mit, wenn Ende Juni das Folk Festival Arbogast gefeiert wird. Es wird nicht allzu laut werden für die Ohren. Aber vielleicht für den Geist.



[einleitung](622|medium|rechts) „Volk“ kann man auch mit „F“ schreiben
Musikkritiker Fritz Jurmann erinnert sich

So kann man unversehens zum Zeitzeugen werden. Kaum dass 40 Jahre wie im Flug vergangen sind, hat einen die Zeit eingeholt mit der Erinnerung an die Bregenzer Folkfestivals, zu denen Scharen von "Friends" aus dem Bodenseeraum herbeigeströmt sind.

Der Hansi Hinterseer von damals hieß Colin Wilkie, namhafter britischer Singer/Songwriter und einer der wichtigsten Protagonisten dieser Bewegung. Er hatte zuvor mit seiner sonntäglichen Ö3-Sendung "Colin's Folk Club" österreichweit das Terrain dafür aufbereitet und trotz einer heute quotenmäßig gegen Null tendierenden Radio-Beginnzeit von 21.30 Uhr einen Hype ausgelöst bei Leuten, die bald begriffen, dass man "Volk" auch mit "F" schreiben kann.

Ich hatte ihn als junger ORF-Musikredakteur bei einem Konzert gehört und die Chefs des Jugendsenders in Wien für eine wöchentliche Reihe erwärmen können, die ab 1974 bei uns im Funkhaus Dornbirn produziert wurde.
Den eigentlichen Clou in unserer Zusammenarbeit hat mir Colin erst gestanden, als die Sendung 1981 das Zeitliche segnete. Als er mir die Reihe zusagte, besaß er selber keine einzige Langspielplatte, musste sich das Material von Freunden ausleihen – ich als Producer hatte keine Ahnung davon. Was haben wir später darüber gelacht!

Colins Markenzeichen waren seine Fachkompetenz in der Musikauswahl, mit der er vor allem auf die Folk-Tradition in verschiedenen Ländern hinweisen wollte, ebenso aber auch seine sympathische, stark englisch eingefärbte Radiostimme mit einem oft abenteuerlichen Kauderwelsch.
Nicht zuletzt ein Grund dafür, dass man diesen originellen Moderator auch einmal livehaftig erleben wollte. So entstanden drei Folkfestivals, die wir vom ORF gemeinsam mit der Stadt Bregenz von 1976 bis 1978 auf dem Gelände des Gebhardsberges durchführten, mit Größen der Szene von damals wie Isabel Sutherland, Redd Sullivan, Tom Kannmacher, Sammy Vomacka, der deutschen Gruppe Fiedel Michel oder dem Schweizer Urs Stieger.
Eine vierte Auflage scheiterte daran, dass die Stadt Bregenz damals ihr komplettes Kulturbudget in das kurz vor Fertigstellung befindliche Festspielhaus pumpen musste. Colin war am Boden zerstört – da schieden sich die Geister in Sachen Kulturbegriff und -förderung.



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Colin Wilkie und Shirley Hart am Gebhardsberg
Copyright: Bildarchiv Fritz Jurmann;
Foto Fritz Jurmann: Copyright Lisa Mathis


Wer war nun dieser Colin Wilkie wirklich, gebürtiger Londoner mit schottischen Wurzeln, der gemeinsam mit seiner früheren Gesangspartnerin Shirley Hart heute 84-jährig im schwäbischen Pfaffenhoffen ein geruhsames Rentnerdasein führt?
Wilkie lehrte als Pionier der britisch-deutschen Folkszene eine halbe Generation das "Fingerpicking" auf der Gitarre, also das Melodiespiel mit Fingern anstelle des Plektrums. Und er war einer von denen, der nicht nur wusste, wie Folk funktioniert, sondern ihn auch mit viel Eigenem bereichert hat.
Er hat uns vermittelt, dass diese Musik in ihren oft politischen und sozialkritischen Aspekten, wie sie ein Franz-Josef Degenhardt, Hannes Wader, Hans-Dieter Hüsch, Hein & Oss, Wolf Biermann oder Dieter Süverkrup vertraten, den „Protestsongs“ der Sechziger beim Burg Waldeck-Festival als Ventil gegen "die da oben", auch Ausdruck eines bestimmten jungen Lebensgefühls war und bis heute ist.

Diesen Geist einer gesellschaftlichen und spirituellen Öffnung findet man auch in St. Arbogast, das allein deshalb ein idealer Schauplatz für die Neuauflage eines Vorarlberger Folkfestivals nach 40 Jahren sein wird, gespeist aus einer Flamme, die auch in der langen Zwischenzeit nie ganz erloschen ist.

Allein ein Blick von diesem Gelände hinunter zum heutigen Durchstich der Rheintal-Autobahn ist erhellend: Auch dort gab es ähnliche Proteste der Jugend, als man 1971 das von der Landesregierung unter einem fadenscheinigen Vorwand verbotene zweite "Flint"-Festival zu Grabe getragen hat.

Es war nicht zuletzt meine Aufgabe als junger Musikredakteur im ORF, gerade den dabei auftretenden heimischen Pop- und Rockgruppen wie "Wanted" oder "Gamblers" im Lokalprogramm von Radio Vorarlberg eine Plattform für ihre Musik und ihre Anliegen zu geben, etwa im wöchentlichen "Pop-Lädele" mit der rotzfrechen Gerty Sedlmayr.
Die Sendung lief jeden Freitagabend, am Montagfrüh musste ich regelmäßig zum Rapport beim damaligen Intendanten antreten, der mir vorhielt, die Hörer hätten sich wieder über diese "Negermusig" in ihrem Sender beschwert.
Fast logisch, wenn die Leute damals auf ein vom Land diktiertes, klerikal-verschwitztes Programm eingeschworen waren, das deutlich von einem der "dramatisierten Heimatromane" der NS-freundlichen Schriftstellerin Natalie Beer dominiert wurde: Blut- und Bodenliteratur in Endlosschleife.



Prof. Fritz Jurmann
(Geb. 1942, Organist und Pianist, langjähriger Musikredakteur im ORF,
Musikkritiker in den Vorarlberger Nachrichten und in der Kultur Zeitschrift)



Tipp: Evelyn Fink-Mennel bearbeitet im "Zentrum Volksmusikforschung Bodenseeraum" des Landeskonservatoriums die "Folksammlung Haid" und forscht aktuell zur Folkszene der 1970er Jahre.

Literatur-Hinweis: "Warum singt ihr nicht Eure Lieder?! Die Spuren der Singer-Songwriter Legende Colin Wilkie reichen bis Vorarlberg, in: Ostinato. Akzente des Vorarlberger Landeskonservatoriums 2018/2, S. 15-17."